Montag, 14. August 2006

Sex mit Robbie

Robbie Williams hat also am Wochenende ganz sensationell in Hockenheim aufgespielt, wenn man den Augenzeugenberichten heut in der Denkfabrik Glauben schenken darf. Ganz besonderes Augenmerk galt dabei allen Mutmaßungen zum trendigen Schlüpfer-auf-die-Bühne-Werfen. Sind die Wurfhöschen nun frisch Persil-gestärkt, wenn sie zu Robbie hinauffliegen? Oder etwa frisch eingesaftet? Schlabberte der Robbie dort auf der Bühne tatsächlich ohne Vorkoster an wildfremder Damenunterwäsche? (Igitt!)

Und wie verbringen die textil reduzierten Groupies den Rest des Abends? Haben sie Ersatzwäsche dabei? Oder laufen die dann mit blanker Mumu Zwetschge über die Rennstrecke?

Was dieser --in meinen Augen weit überschätzte-- Robbie alles provoziert, ist schon zum Augenrollen irre. Frau Sigrid berichtete ja bereits ausführlich über seine sächsische Besenkammer-Teppichluder-Friseuse Heidi. Unerklärlich bleibt mir noch immer, was Fräulein Heidi dazu treibt, eine ungeheuer aussagekräftige eigene Webseite mit Hilfe einer Unternehmensberatung (!) ins Netz zu stellen. Welcher Angabe soll ich mehr Gewicht beimessen? Der Glaubwürdigkeitsbeteuerung in der Titelzeile auf Seite 1 oder dem ersten Satz im Impressum: Der Autor übernimmt keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen?

Ich befürchte allen Ernstes, dass mir irgendein wichtiges Gen abgeht. Hat jemand zufällig ein überzähliges Nimm-mich-jetzt-und-hier-Robbie-Gen abzugeben?

Freitag, 11. August 2006

Barbieträume

Meine große Schwester ist genervt. Ich weiß nicht mehr, zum wievielten Mal ich sie mit meinen Schwärmereien für die heiß geliebte Barbiepuppe gelangweilt habe. Es ist Sommer, ich stehe in ihrem Jungmädchenzimmer mit meinem kurzen Pipimädchenkleid und den blonden Locken und trage natürlich meine Bettina mit mir herum. Und ich bekomme nicht im geringsten mit, dass meine Schwester kurz davor ist, mich rauszuwerfen, als ich weiterschwärme im Brustton der Überzeugung, den alle kleinen Mädchen drauf haben: Wenn ich mal so alt bin wie du, will ich so aussehen wie Bettina!

Schwesterherz blickt geringschätzig auf die Barbie in meinen Händen und sagt: Wenn deine Barbie echt und am Leben wäre, dann hätte sie die Maße 99-60-84. Monstertitten. Und außerdem wäre sie zwei Meter fünfzehn groß.

Ich hab das damals nicht verstanden. Zum Glück.

Montag, 7. August 2006

Wunschkonzert

Ich habe es geahnt. Wenn Frauen Geschichten schreiben, in denen schon mal von Beischlaf die Rede ist, setzt eine wohlbekannte chemische Reaktion ein, in Folge derer sich die Leserschaft auf einen Schlag vermännlicht und alle weiblichen Passanten schockiert gelangweilt desinteressiert das Weite suchen.

Vielleicht sollte ich den Laden hier lieber gleich mit rotem Plüsch austackern und Schickse's Biereck'chen über den Eingang schreiben? Mit Deppenapostrophen? Oder doch lieber Chez Chickse? Um der zumindest bisher wahrgenommene Intelligenz meiner männlichen Besucherschaft zu schmeicheln?


Den Verdacht, keinen Damenbesuch mehr zu erhalten, legen zumindest die Reaktionen auf mein literarisches Angebot nahe. Ausschließlich Herren haben sich geregt! Nicht dass ich darüber traurig wäre, aber ich meine, wo bleibt denn da die statistische Verteilung zwischen den Geschlechtern?

Aber statt mich zu erregen, fasse ich lieber einmal den aktuellen Status zusammen. Zur Auswahl für den ersten Satz meiner avisierten Sommergeschichte stehen folgende Vorschläge:
1. Auf dem Weg durch den Baumarkt blieb ihr Blick an einem Sonderangebot erster Güte hängen; sie wusste sofort, das musste sie haben: die Leiter des jungen Werther!
(Romsdalen)
2. Verzweifelt schwang er den Staubsauger durch die aufgehitzte Wohnung, der Schweiß rann ihm in Strömen über die Stirn, und er dachte nur: So ein Scheiß, warum hab ich mich nur auf diesen Unsinn eingelassen.
(1001)
3. Ich hab eine kroatische Kassiererin geschwängert.
(Fjaellet)
4. "Das macht überhaupt nichts", sagte Gina, während sie sich erhob, "das kann jedem mal passieren."
(Neo-Bazi)
5. Den schlimmsten Durchfall meines Lebens - ich werde das niemals vergessen können - hatte ich im September 1989.
(Rationalstürmer)
6. Kaum ist der Name ausgesprochen, da bricht ein erschüttertes Schluchzen aus ihr heraus, das seinen Ursprung in tiefster Tiefe, in einem vergessenen Schmerz haben muss.
(Traumzeit)
7. Schon immer wollte er wissen, was hinter dieser Tür lag.
(Pathologen)
8. "Glauben Sie an Reinkarnation?", fragte Inspektor Sonderburg die verstört wirkende junge Frau auf der ansonsten nun menschenleeren Hotelterrasse.
(Exzenter)

Ehrlich gesagt, ich kann mich nicht so recht entscheiden. Zwar habe ich meine zwei oder drei Favoriten, aber genauso gut kann die Gunst des Publikums entscheiden. (Außerdem kann ich da mal mit den Umfragen herumspielen.)

Entscheiden also Sie über den Take-Off der Urlaubsgeschichte 2006
Wie soll der erste Satz meiner Sommergeschichte lauten?

 
11.76% (2 votes)
1. Die Leiter des jungen Werthers

 
11.76% (2 votes)
2. Unsinn mit dem Staubsauger

 
5.88% (1 vote)
3. Schwängerung einer kroatischen Kassiererin

 
11.76% (2 votes)
4. Die verständnisvolle Gina

 
11.76% (2 votes)
5. Der schlimme Durchfall von 1989

 
5.88% (1 vote)
6. Tiefes, tiefes Schmerzschluchzen

 
5.88% (1 vote)
7. Neugier auf die Tür ins Ungewisse

 
35.29% (6 votes)
8. Der Kriminalinspektor und die Reinkarnation


Total: 100% (17 votes)

Created by schickse on 7. Aug, 15:52.
This poll was closed on 15. Aug, 21:45.



Bitte machen Sie jetzt Ihr Kreuz! Und schicken Sie Ihre Groupies vorbei, damit die auch für Ihren Beitrag stimmen. Bei Gleichstand entscheidet das Schicksal die Schickse.
[Edit] Die Umfrage ist beendet, ein Drittel von Ihnen hat sich für den reinkarnierten Kriminalisten entschieden.

Sonntag, 6. August 2006

Hohe Zeiten bei Familie B.

Die Jahre sind vorbei, in denen man zum Heiraten nach Gretna Green oder Las Vegas geflogen ist, einfach um mal was Außergewöhnliches zu tun, oder um die peinliche Entscheidung vor der Verwandtschaft und den Freunden zu verbergen wie ihrerzeit die Kaltmamsell. Jetzt stehen sie wieder Schlange in den Standesämtern und vor den Altären. Der Mister war am vergangenen Wochenende irgendwo bei einer Vermählung, Frau Modeste war nicht auf dieser sehr gelungenen Hochzeit und der Herr B. und ich konnten gestern nicht umhin.

Das darf jetzt beileibe nicht danach klingen, als wollten wir da nicht hin. Im Gegenteil, ich gehe gerne auf Hochzeiten. Nicht weil ich hämisch diesen Augenblick der Vorprogrammierung des Scheiterns auskosten will, sondern weil ich diese Massenveranstaltungen, in denen zwei sich gänzlich unbekannte Familienclans aufeinanderprallen, als Beobachterin bis zur Neige auskoste. Ich liebe es!

Also wir beide los, der Herr B. im Smoking und ich im Kleinen Schwarzen. Lokationen und Kleider, das sind ja auch immer wahre Quellen der Freude. Wir und diesmal zum Beispiel, weil bei B's das so üblich ist, aufgebrezelt wie Models, aber auf einem umfunktionierten Reiterhof in der mitteldeutschen Pampa! Die Kombination aus Menschen in ungewohnter und eindeutig overdresster Ausstattung und in einer Umgebung, die olfaktorisch geprägt ist von hochsommerlichem Dungduft und in Bezug auf die Fauna durch schillerde Schmeißfliegen, hat eine gesellschaftliche Wucht, die es unbedingt auszukosten gilt.

Für ersten Gesprächsstoff sorgt der nicht vorhandene Gesprächsstoff. Weil Hochzeiten den Menschen ja aus dem prallen Leben herausreißen wie der Gärtner die reife Karotte aus der Erde, verbringen Gäste auf Vermählungsfeiern die Wartezeiten grundsätzlich mit Handytelefonaten. Was sonst sollten sie denn auch tun? Die mangelhafte Netzanbindung in der mitteldeutschen Pampa verhindert diesmal zwar die geballte Kommunikation mit der zurück gebliebenen Außenwelt. Aber sie sorgt auch dafür, dass sich deplatziert fühlende Jungmenschen jeden Alters sich mit Frage- und Antwortspielen über den Pegelausschlag ihrer Mobilgeräte in verschiedenen Lagen des Lebens austauschen. Wussten Sie beispielsweise schon, dass angabegemäß in der Sahara bessere Empfangsbedingung für Mobiltelefonie herrschen als mitten in diesem unserem Lande?


Die Feierlichkeiten laufen ab wie geplant, oder manchmal auch wie nicht ganz so geplant, aber ich will gar nicht in Details gehen, bis auf den einen kurzen Hinweise, dass inzwischen Bürotechnik bis in die Nische von Familienfeierlichkeiten eingedrungen ist, weil keine Diavorträge mehr gehalten werden, sondern die Verwandtschaft Arsenale von Laptops mitschleppt und an diesem Samstag den drei Wortbeiträgen der Brautpaareseltern ganze sechs Power-pointierte Präsentationen gegenüberstehen, die teilweise gar noch vor Ort mit Bildmaterial und Filmmaterial von der mittäglichen Kirchenzeremonie angereichert wurden.

Wie ich da so sitze am aufgelösten Kindertisch, weil man kann so alt werden wie es eben nur geht, man bekommt doch immer den Platz am Kindertisch, solange man nicht verheiratet ist und eigene Kinder hat; wie ich also dort sitze ist die schreiende Kinderhorde längst irgendwo auf dem Reiterhof versickert und mir gegenüber hat dieser junge Kerl, den ich nicht kenne und noch nicht mal weiß, ob er aus Herrn B's Verwandtschaft oder der gegnerischen Familie stammt, die Ellenbogen auf den Tisch gestützt und sieht mir zu, wie ich mir die Rocherkugel gebe. Ganz ehrlich, zusehen trifft es nicht, was er da tut. Er starrt mir auf die Finger, auf den Mund und erzählt dabei diese Geschichte, von der ich nicht weiß, ob sie wahr ist oder nur gut erfunden.

Hast du gewusst, fragt der Kerl, der die Schickse einfach duzt, weil sich alle duzen auf der Hochzeit, hast du gewusst, dass es im Regenwald in Bolivien, irgendwo im Amazonasgebiet einen Indiostamm gibt, die Sirionó? Da unten sterben sie vor Scham, wenn ihnen jemand beim Essen zusieht. Für Essen in der Öffentlichkeit gibt es sogar harte Strafen. Ich verschlucke mich am Schokonussbrei und muss husten. Aber dafür ist es bei den Sirionó gesellschaftlich vollkommen in Ordnung, fährt der Kerl fort, direkt unter den Augen anderen Leuten zu bumsen.

Ich huste immer noch und das ist meine Rettung, weil es mir Zeit verschafft für die Beantwortung der Frage, ob der Kerl anbändeln will, oder ob er einfach nur ein Freak ist. Schlecht sieht er nicht aus, ein bisschen jung vielleicht, aber ein markantes Gesicht hat er und gepflegte Hände. Und in den Anzügen und Kleidern sehen wir ja alle immer ein bisschen besser aus als im normalen Leben. Zum Abendessen habe ich zwei Gläser Rotwein getrunken, und der Kellner war nicht unbedingt sparsam gewesen beim Einschenken. Der Alkohol kribbelt mir im Bauch, wabert wie dünner Nebel in meinem Kopf, legt sich wie ein dämmendes Filztuch über meine Hemmschwelle und kitzelt gleichzeitig meine Libido. Lust hätte ich schon.
Also schiele ich sondierend hinüber zu Herrn B. zwei Tische weiter, der völlig versunken ist in ein Gespräch mit einer rothaarigen, blaßhäutigen Hexe, die ihn verträumt ansieht. Der ist versorgt, denk ich und beschließe den Gegenangriff.

Ich sehe meinem Gegenüber direkt in die Augen. Wer zuerst zwinkert, hat verloren. Mit seiner Indiogeschichte habe er es zwar geschafft, dass ich mich beim Essen schuldig fühlte. Aber das dürfe er jetzt keinesfalls so verstehen, dass ich auch in der Öffentlichkeit bumsen wolle.
Ein Schmunzeln zieht meine Mundwinkel nach oben und dekoriert meine Augen mit Lachfältchen, als ich zusehe, wie der Kerl rot anläuft und mit dem rechten Nasenflügel zu zucken beginnt. Ich kann nicht widerstehen und setze noch einen drauf: Welche Strafe für öffentliches Essen hast du dir denn für mich vorgestellt? So habe er das natürlich nicht gemeint, stammelt der Kerl und verhaspelt sich. Seine Finger verschränkt er in unterbewusster Abwehrreaktion.
Da bin ich wohl etwas zu schnell vorgesprescht? Es gibt Männer, die können es absolut nicht ab, wenn man ihnen beim Flirt das Heft aus der Hand nimmt. Sind sie auf dem Eroberungsfeldzug, dann fällt jede Zurückhaltung, sie setzen der Beute solange nach, bis sie sie gestellt haben. Macht das Opfer jedoch kehrt und stellt sich freimütig dem Verfolger, dann verlöscht der Instinkt und aus dem Jäger wird auf einmal der ernüchterte Klardenker, der vor der plötzlichen Herausforderung zurückschreckt und im wahrsten Sinn des Wortes den Schwanz einzieht.
Mir ist klar, dass ich einen Fehler gemacht habe. Die vermeintliche Abkürzung hat sich als Sackgasse erwiesen. Der Zauber des Moments ist vorbei, und dem verbalen Rückzieher des Kerls folgt ziemlich schnell auch der strategische. Er müsse jetzt mal für seinen Vortrag, ob ich ihn denn entschuldigen wolle.
Dieser Vortrag war dann übrigens gar nicht so dolle.


Einige Stunden später, Herr B. hat bei der Hexe auch nicht landen können und sich längst wieder solo an meiner Seite eingefunden, stolpern wir durch die Gebäudeflügel des alten Reitergutes auf der Suche nach unserem Zimmer. Der Hof liegt einsam auf weiter Flur und beherbergt nur geschlossene Gesellschaften. Deshalb gibt es ein ganze Menge Zimmer entlang der verwinkelten Gänge, und keinen der Räume kann man abschließen. Es gibt einfach keine Schlüssel. B. und auch die Schickse sind reichlich angeschickert und probieren kichernd ein paar Türen, weil sie nicht mehr sicher sind, wo sie lang müssen. Dann ist es auch schon passiert. Wir platzen in ein Zimmer, und dort auf dem Bett vögeln sich der Sirionó und die Rote Zora in größtenteils aufgelöster Bekleidung die Seelen aus den Leibern.

Ratsch, der Film reißt, die Szene friert ein. Sekundenlange Pause, alle starren sich gegenseitig an. Ich staune über den makellos weißen Körper von Rothärchen, sowas von vollkommener Ebenmäßigkeit habe ich noch nie gesehen. Und bei meinem Indiofreund ist sogar der Hintern braun gebrannt, stelle ich verwundert fest und muss schon wieder schmunzeln. Nach einer gefühlten halben Stunde des Starrens erlange als erste von uns vieren ich wieder die Fassung, schiebe Herrn B. durch die Türe hinaus auf den Flur und rufe den beiden auf dem Bett zu: Weitermachen wie am Amazonas, nur keine falsche Zurückhaltung! Prustend vor Lachen ziehen Herr B. und ich weiter, bis wir endlich irgendwo unser eigenes Zimmer wiederfinden.


Heute mittag auf der Heimfahrt will Herr B. wissen, was der Amazonasspruch zu bedeuten hatte. Ich berichte von den Sirionó und versäume auch nicht darauf hinzuweisen, dass man mit diesem Wissensgebiet offenbar problemlos den Aufriss rothaariger Hexen und anderer Frauen hinbekommt. Herr B. blickt düster wie die Wolken am Himmel hinter der Windschutzscheibe.

Freitag, 4. August 2006

Die P.

Wir waren ein inhomogenes Freundinnentrio, die M., die P. und ich. M's Vater war ein Karrieremensch, Anwalt mit internationaler Klientel, und verdiente einen Haufen Geld, das der Rest der Familie, also auch die M., großzügig ausgeben konnte. Man muss es der M. nachträglich hoch anrechnen, dass sie nie groß Aufhebens gemacht hat um ihre Kaufkraft, sondern immer mal ne Runde Eis stillschweigend bezahlte und gut war es. Ich hab mir auch nie was dabei gedacht, wenn die M. bezahlt hat. Hab es gerne mitgenommen, weil es bestimmt niemandem weh tat und weil die M. nie den Fehler gemacht hat, irgendwelche Gegenleistungen auch nur anzudeuten. Die P. aber hat die Großzügigkeit der Freundin nicht gerne akzeptiert. Meist brachte sie am nächsten Tag das ausgelegte Eisgeld mit und stritt so lange mit der M., bis diese die Münzen einsteckte, nur um dem aus ihrer Sicht unverständlichen Aufstand ein Ende zu bereiten.

Die P. wusste, was sie wollte. Schon als Mädchen. Dabei war sie diejenige von uns, die finanzielle Unterstützung manchmal ganz gut gebrauchen hätte können. Ihr Vater arbeitete als Briefträger in Schicksenhausen, und auch wenn man damals noch Beamter war als Postverteiler, fiel der Sold wohl nicht so üppig aus. Die P. bekam keinen Pfennig Taschengeld während der Schulzeit und beglich ihren Anteil an unseren Ausgaben immer am nächsten Tag. Zwischen der M. und der P. stand ich. Das darf man weniger als finanzielle Positionierung verstehen, auch wenn meine Eltern tatsächlich mehr Geld als die Familie der P. nach Hause brachten. Zwischen der M. und der P. soll viel eher heißen, dass unser Dreiergespann nur dann funktionierte, wenn ich dabei war. Sowohl die P., als auch die M. zogen schon mal mir mir allein zu zweit los. Aber die beiden anderen traten ohne mich nie gemeinsam auf.

M. und P. waren rein vom Äußeren her absolute Gegensätze. Während die M. groß, schlank und schön war und schon sehr früh das Auftreten einer selbstbewussten jungen Frau hatte, wirkte die P. immer hausbacken oder zumindest sehr unauffällig. Sie war pummelig, hatte ein reizloses Allerweltsgesicht und litt am meisten unter ihren Schnittlauchlocken, deren Farbe einfach nicht zu definieren war und irgendeinen Ton zwischen dunkelblond, hellbraun und grau hatte. Die P. machte selten Aufhebens um etwas. Sie war immer dabei als Nummer drei, machte alles mit, aber verlor kaum ein Wort darüber. Wo die M. und auch ich schon mal großes Trara veranstalteten mit Ankündigungen, die hinterher doch nicht eingehalten wurden, handelte die P. einfach. Ohne Aufhebens, pragmatisch. Ein gutes Beispiel dafür ist die Geschichte um unsere geplante Entjungferung. Die M. und ich zickten ja damals solange herum, bis P. mit den Achseln zuckend aufstand und einfach durchzog, was wir uns vorgenommen hatten. Dachten wir damals jedenfalls.


Ein oder zwei Jahre später habe ich die P. gefragt, was damals eigentlich abgelaufen sei. Ich sehe diese Gesprächsszene vor mir, als sei das gestern gewesen. Wir sitzen auf der Lehne einer Parkbank, ich mit rot gefärbten Haaren, die P. mit grünen, beide in zerschlissenen Jeans und Springerstiefeln und natürlich mit den unvermeidlichen Zigaretten in den Händen. Die M. hat diese Phase nicht mitgemacht, und ich bin zu der Zeit oft mit der P. zu zweit unterwegs.

Sie zieht an der Kippe und tritt den Stummel mit der Stiefelferse auf der Bank aus. Du und die M. habt einen Riesenaufstand gemacht wegen der Popperei damals, sagt die P., und der Rauch quillt ihr beim Reden in kleinen Wolken aus dem Mund. Klar wolltet ihr beide den Josef, habt aber auch beide nicht den Mumm gehabt. Oder, was ich ja glaube, ihr hattet keinen Mumm, die Nummer überhaupt zu bringen. Geredet habt ihr darüber wie die Großen, aber es auch machen? Nee…

Natürlich hat die P. Recht. Die M. und ich hatten große Töne gespuckt wie so oft und sie, die P. hat es schließlich ganz unspektakulär durchgezogen. Warum sie aber ausgerechnet den Paul ausgesucht habe, will ich von ihr wissen. Der habe doch die Anziehungskraft eines Mülleimers gehabt.

Die P. steckt sich die nächste Kippe zwischen die Lippen und sieht mir beim Anzünden tief in die Augen. Scheinbar findet sie dort den Ausdruck der gesuchten Vertrauenswürdigkeit, denn schließlich sagt sie: Hab ich doch gar nicht.

Wie? Was? Habe sie gar nicht? Ich sprudle los wie eine Flasche warmes Mineralwasser beim Aufdrehen des Verschlusses. Wir seien doch damals alle drei auf dem Schulhof beisammen gestanden, am letzten Schultag. Es gebe doch mindestens fünfzig Zeugen dafür, dass der Paul auf sie zugegangen sei, sie auf die Wange geküsst und um ein Andenken für die Ferien gebeten habe. Und sie habe dem Paul in die Augen gesehen, dabei ihr Halstuch aufgebunden und es ihm in die Hand gedrückt. Und ohne Ausnahme alle hätten den gigantischen Knutschfleck an ihrem Hals gesehen, als das Tuch runter war!

Die P. lacht glucksend neben mir auf der Bank. Was sollte ich denn machen? Ihr beide, M. und du habt euch doch schon schwer in den Haaren gehabt wegen dem Josef. Glaubst du im Ernst, ich wollte den nicht auch? Aber es wäre dann bestimmt aus und vorbei gewesen zwischen uns dreien. Ich glaube, inzwischen kannst du die Wahrheit vertragen. Mit dem Paul hab ich einen Deal gemacht. Ich hab ihm klipp und klar gesagt, dass ich mit ihm niemals schlafen würde, dass ihn keine von uns dreien je an sich heranlassen würde. Aber ich würde was für sein Image tun, wenn er mitspielen wollte. Also haben wir die kleine Andenkennummer auf dem Pausenhof gespielt. Sie raucht und sieht aus dem Augenwinkel zu mir herüber, und auf einmal geht mir ein Licht auf, und ganz langsam reihe ich meine Erleuchtung in Worte aneinander: Und in Wirklichkeit hast du mit dem Josef gepennt. Hast ihm wahrscheinlich erzählt, dass die M. und ich wohl niemals klar kommen würden, und wenn er ficken wollte, dann wärst immerhin du da für ihn. Und es würde auch keiner erfahren, weil du ja so schlau warst, die Show mit Paul einzufädeln.

Im ersten Augenblick der Erkenntnis bin ich entsetzt über die Durchtriebenheit der P. Aber noch während ich ausspreche, was sie da getan hat, sehe ich auf einmal die nackten Tatsachen hinter der Show. P. hat alles bekommen, was sie erreichen wollte: Josef für das erste Mal, trotzdem ihre beiden Freundinnen behalten und uns nicht mit dem ganzen Kram aufgewiegelt. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Ich schaue vorsichig rüber zur P. dort auf der Bank, auch aus den Augenwinkeln, so wie sie vorher, und wir beide beginnen zu grinsen und uns mit den Ellenbogen in die Rippen zu stoßen. Und schließlich kriegen wir uns gar nicht mehr ein, lachen bis uns die Tränen aus den Augen strömen und das teure Mascara verschmiert, aber wir können einfach nicht aufhören. Jedes Mal, wenn ich wieder an die M. denke, beginnt mich eine neue Lachsalve durchzuschütteln.

Was waren wir beide gegen die unscheinbare P. doch für Landeier!

Warum?

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