Freitag, 21. Juli 2006

Aggregatzustände

Heute Nacht war es so weit: zu warm um nackend zu schlafen.

Denn neben der bekannten Temperaturschwelle, unter der man nicht mehr gern textilfrei schläft, weil die Schultern kalt werden und einen am nächsten Morgen das Zipperlein plagt, gibt es noch eine zweite, weiter oben auf der Richter Celsiusskala, über der man nicht mehr textilfrei schlafen mag, weil der Schweiß am Körper klebt, oder besser gesagt am Körper herunterrinnt und Klebespuren hinterlässt, als ob man über Nacht Besuch von der Nacktschnecke gehabt hätte. Dagegen hilft nur ein Nachtgewand.

Und ich hoffe inständig, dass die M. diesen Eintrag nicht liest, weil sie ja so eine enorme innere Abneigung gegen die Vokabel Körper hat.

Mittwoch, 19. Juli 2006

Die M.

Die M. kenne ich schon seit einer kurzen Ewigkeit. Im Sandkasten haben wir uns schon mal mit Förmchen beworfen und später dann mit gegenseitigen Vorwürfen, uns jeweils die Freunde ausgespannt zu haben. Seither sind ein paar Jahre vergangen und unsere Beziehung hat sich entspannt.

Viel unterwegs ist die M., sie kommt herum auf der Welt. Wenn sie anruft und sagt, sie sei wieder in der Stadt, dann treffen wir uns fast immer im Café am Marktplatz. Heute hat sie sich wieder gemeldet, die M. Ich sitze schon an einem der Tischchen auf dem Katzenkopfpflaster vor dem Café, als sie aus einem Taxi steigt.

Dunkelblaues Kostüm, weiße Bluse, dunkle Pumps und trotz der Hitze Seidenstrümpfe. Die langen Haare zu einem Knoten am Hinterkopf gesteckt, eine schmale Brille mit schwarzem Gestell auf der Nase. Die M. sieht immer aus wie das Fleisch gewordene Abziehbild einer Chefsekretärin, sagte Herr B. einmal. -- Oder eben wie eine erfolgreiche Geschäftsfrau, dachte ich. Aber Männer denken in dieser Hinsicht eher eingleisig. Auf Gedankenschienen.

Ein wenig unsicher stöckelt die M. über das unebene Altstadtpflaster auf mich zu, ihr schwarzes Rollköfferchen wie ein müder Dobermann hinter ihr. Aber müde ist eher die M., die einen Kurztrip nach Tokio hinter sich und in den Knochen stecken hat. Sie setzt sich, hängt ihre Kostümjacke ordentlich über den Dobermann und pustet sich mit vorgeschobener Unterlippe eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Das hat sie schon immer gemacht, schon im Sandkasten, dieses Pusten. Nie mit den schmutzigen Händen ins Gesicht, das gibt sonst Pickel.

Einen doppelten Espresso und ein halbes Glas Weißwein später ist die M. wieder hergestellt. Als ich ihr das mit dem Abziehbild einer Chefsekretärin erzähle, lacht sie. So sind die Männer, sagt sie und erzählt mir davon, wie einer der männlichen Kollegen sie nach ihrer Beförderung zu openBC eingeladen hatte. Da muss man dabei sein, habe er geschwärmt. Natürlich dauere es ein bisschen, bis man dort seine Wurzeln finde zwischen zigtausenden von Unbekannten. Er habe immerhin nach drei Jahren eintausendfünfhundert Seitenabrufe gehabt.
M.s Augen blitzen kampflustig, als sie ihr Glas abstellt: Als ich mich bei openBC angemeldet habe, hatte ich nach einer halben Stunde über dreihundert Seitenabrufe, fünfzig Kontaktangebote und neun persönliche Nachrichten mit Einladungen zum Ausgehen. Was glaubst du, warum die alle bei mir angekopft haben? Etwa wegen meiner beruflichen Bedeutung?

Die wollten sie doch nicht etwa alle angraben, werfe ich ungläubig ein. Aber die M. winkt ab. Das Thema interessiert sie eigentlich nicht mehr. Lange Zeit über hatte sie die Rolle des Beutetieres bei der englischen Fuchsjagd gespielt. Zuerst waren die Kollegen wie die Hundemeute auf Treibjagd hinter ihr her gewesen, dann hatten sich ihre Chefs vornehm in roten Reiterfräcken und unter dem Deckmantel vorgeblichen väterlichen Schutzes an Sie heran gemacht. Das was von ihr danach noch übrig gewesen war, hatten Bellboys in Hotels und Taxifahrer anzumachen versucht, die zu viele Groschenromane über weibliche Bosse gelesen hatten.

Heute am Flughafen, beginnt die M. mit versonnener Stimme zu erzählen und dreht dabei das Weinglas in der Hand, so dass die sich brechenden Sonnenstrahlen bewegte Muster auf das Tischtuch und ihren blauen Kostümrock zeichnen, du wirst es nicht glauben, aber heute am Flughafen hat mir so ein Kerl an den Hintern gegriffen und mir ins Ohr geraunt, er würde mir für nen Fuffi einen Quickie auf der Damentoilette verpassen, den ich so schnell nicht vergessen würde.
Sie blickt mir in die Augen und sieht dort wohl die unausgesprochene Frage, ob sie es denn gemacht hätte. Denn plötzlich schmunzelt sie: Nein, noch bevor ich zu dem Schluss gekommen bin, dass die angemessenste Reaktion darin bestünde, dem dreisten Stricher eine zu kleben, hat er wohl in meinem Gesicht gesehen, dass er sich besser aus dem Staub machen sollte.

Die M. leert ihr Glas mit einem tiefen Schluck: Stell dir einmal meine Überraschung vor, als ich eine Viertelstunde später nach dem Näschenpudern aus der Toilette kam und dem gleichen Kerl begegnete, wie er einer Frau in meinem Alter aufs Klo folgte.
-- Du meinst, die haben dort drin gefickt?
Natürlich. Ich bin ihnen hinterher gegangen und hab mir das eine Weile durch die Stellwand getrennt aus nächster Nähe angehört.

Warum machst du das?, frage ich die M. nach einer Pause, die sich über gefühlte zehn Minuten gezogen hatte.
-- Du meinst, denen beim Ficken zuhören?
Nein, ich meine diesen Job, erkläre ich. Wieso tust du dir das alles an? Es kann doch nicht nur am Geld liegen? Um nichts in der Welt würde ich das Leben führen wollen, das du führst.

Lange sieht mich die M. nachdenklich an. Als sie antwortet, fallen die Worte langsam und vereinzelt aus ihrem Mund, als ob sie ein jedes für sich abgewägt hätte: Ich weiß es nicht mehr. Merkwürdig, nicht wahr? Anfangs war es reiner Stolz. Ich hatte es geschafft, mich gegen männliche Konkurrenten durchgesetzt. Später wollte ich denen mein Durchhaltevermögen beweisen. Mich würden sie nicht unterkriegen. Und inzwischen bin ich etabliert, wenigstens zum Teil anerkannt. Die, die mich nicht anerkennen, interessieren mich nicht und haben nicht die Macht, gegen mich zu intrigieren.

Erstaunlich aber ist, dass es mich jetzt nicht mehr interessiert. Meine Karriere interessiert mich nicht, das Nomadenleben, das ich führe, interessiert mich nicht und das Geld, das ich dafür bekomme, interessiert mich ebenfalls nicht mehr.

Die M. nimmt einen Schluck aus ihrem zweiten Glas Wein. Natürlich fragst du dich zu Recht, warum ich dann mein Leben nicht ändere. Ich habe mich das auch gefragt und dabei feststellen müssen, dass ich keine Alternative sehe, die mich überhaupt reizt.

Montag, 17. Juli 2006

Harley Days

Jeder hatte wohl sein eigenes Rezept, die Harley Days am Wochenende zu überstehen. Herr Kid zum Beispiel schwelgt in Erinnerungen an die flotten Vespafahrerinnen seiner Vergangenheit und Gegenwart. Frau Sigrid hingegen bevorzugt Verdrängen des Geschehens mittels Sex-Inspektion.

Weit ab vom Geschehen durfte ich feststellen, dass nicht alle Harleyisten an die Elbe getuckert waren: Eben noch mutterseelenalleine in der Hitze an einer Ampel auf der Bundesstraße zwischen Schicksenhausen und dem benachbarten Städtchen, und auf einmal mitten im Schwarm. Erst ein tiefes Grollen, als ob sich ein Gewitter ankündigen wollte dort oben am makellos blauen Sommerhimmel, dann waren sie auch schon um mich. Beinahe hätt ich geschrieben über mir, was dann doch vielleicht unglaubwürdig gewirkt hätte. Eine Horde schwarz gekleideter Kerle auf mattschwarzen Donnervögeln made in USA schoss rechts und links an mir vorbei, auf einmal alles schwarz und staubig um mich herum. Schwarz bis auf das Coulour des lokalen Gremium-Chapters.

Ich sehe schon die Schadenfreude in den Augen der Leser aufblitzen: Da haben die schweren Jungs der Schickse aber mal einen gehörigen Schrecken eingejagt! Die keusche Kleine hat sich bestimmt in ihr geblümtes Höschen gemacht am Samstag Nachmittag! Haha!

Leider muss ich euch gleich den Wind aus den Segeln nehmen, ihr Spötter. Ein bisschen benommen war ich durchaus, als der Pulk vorüber war. Und die Grünphase hab ich auch verpasst. Aber nicht aus Angst, sondern in der Schwere der Erinnerung. Ein paar Jahre früher wäre ich nämlich selbst noch auf dem Sitzbrötchen eines der Donnervögel gesessen statt auf einem anatomisch geformten Autositz. Erst im Laufe der jugendlichen Persönlichkeitsfindung haben mich schließlich doch ein paar Dinge abgestoßen, die ich zu sehen bekam. Sonst trüge ich jetzt wahrscheinlich auch Stoff in der Spalte. Oder noch Schlimmeres.

Das trockene Wummern der Auspuffanlagen hat mir zwar eine kurze Attacke der Vergangenheitsglorifizierung verpasst. Der Herr Kid braucht sich aber keine Gedanken um bleibende Beeindruckung eines leichte(re)n Mädchens zu machen. Aus dem Alter bin ich endgültig raus.

Freitag, 14. Juli 2006

Jeanne des Pédales

Bergauf. Ich hebe den Hintern vom Sattel und trete im Stehen in die Pedale. Vorbei geht es an einer drahtbeeselten Familie. Zuerst an Papa mit Helm, dann an Mama mit Helm und zum Schluss am Sohn mit Helm. Der ist vielleicht sechs und steigt ehrgeizig ebenfalls in die Pedale, als ich ihn überhole auf der Steigung.

Da legt die Mama auf einmal los in einer Stimmlage und Lautstärke, dass nur eine Schlussfolgerung erlaubt ist, nämlich die, dass sie die Synchronstimme von Godzilla ist: Was machste denn für nen Scheiß! Hör sofort auf damit, du Arsch!

Vor Schreck bin ich selber auf den Sitz zurück gesunken. Seither hat für mich die biografische Randnotiz, man habe keine einfache Kindheit gehabt, ein völlig andere Bedeutung.

+++

Murphys Wind Rose Law: Am Morgen auf dem Weg zur Arbeit bläst mir der steife Südwind ins Gesicht. Es geht bergab zum Glück und ich erfreue mich an dem Gedanken, dass mir der Wind am Abend den Heimweg mit Steigung erleichtern würde.

Es hätte mir da schon klar sein müsse, dass der Wind acht Stunden später auf Nord gedreht haben würde.

+++

Mann am linken Wegrand, Hund auf der rechten Seite, und ich seh die Teleskopleine zwischen den beiden nicht. Aber der Hund sieht mich. Sucht Schutz beim Herrchen und will noch vor mir queren. Zu spät!

Einen Herzschlag in Zeitlupe danach hab ich die schlapp auf dem Weg liegende Schnur zwischen Mann und Hund überquert.

Puh!

+++

Der blaue Blitz pirscht sich lautlos an, passiert die Schickse und schreit dabei: Rechts fahren!
Ich ärgere mich und rufe zurück: Klingeln!
Er nur so: Geht nicht, hab keine…

Den Rest versteh ich nicht mehr, weil der Blitz nach Durchbrechen der Schallmauer außer Hörweite ist.

Pöh!

+++

Im Fahrradgeschäft: Der Neffe bekommt sein Geburtstagsgeschenk, einen Helm mit Flammen drauf.

Glücklich sieht er mich mit seinem Helm in den Händen an und fragt: Kaufst du dir auch einen? Der Alarm in der Stimme der Fachverkäuferin ist nicht zu überhören: Ach, die Mama hat keinen Helm!?

Nein, die Mama Tante hat keinen Helm. Sie träumt aber nachts manchmal kafkaeske Träume mit verschwommenen Konturen und in Schwarzweiß. Träume, in denen Menschen mit zeitlupenartigen Bewegungen wie auf dem Mond die Gehwege entlang und über die Straßen gehen, auf denen kein einziges Automobil zu sehen ist. Diese Fußgänger tragen Motorradhelme. Alle. Bis auf die Tante. Die wacht zum Glück immer rechtzeitig auf, um die eigene Hinrichtung durch Lynchjustiz zu verpassen.

+++

Heute Morgen mit dem Kollegen zeitgleich am Fahrradunterstand vor dem Büro angekommen. Fünf Minuten auf ihn warten müssen, bis er endlich alle drei Fahrradschlösser angebracht, seinen Tacho, das Navi, die Luftpumpe, den Sattel, den Werkzeugkasten und zwei Fahrradtaschen abmontiert und verstaut hat.

Schäme mich ein wenig, weil ich nur ein einziges Schlösschen mit dünner, plastikbemantelter Kette abzuschließen hatte.

Später daran gedacht, dass es der Kollege nur zwei oder drei Kilometer von zu Hause hat.

Mittwoch, 12. Juli 2006

Stoff in der Spalte

Nachdem die Kaltmamsell sich über die unerklärliche Verbreitung von Flip-Flops als sommerliche Fußbekleidung ausgelassen hat und Herr Martenstein in der Zeit über die Verteilung von Stringtangas auf Männlein und Weiblein philosophiert, kann ich nicht umhin, das Thema Sommerbekleidung ein weiteres Mal aufzugreifen.

Auf der Basis des Martenstein-Lemmas will ich mich auf die weiblichen Trägerinnen von Stringtagas einschießen, da ich in männlichen Stoffminimalisten nichts als Flüchtlinge aus dem Gruselkabinett sehe, denen ich lieber aus dem Weg gehe - physisch wie verbal.

Die stilsichere Krönung des Sommerauftritts junger Frauen in Schwimmbad und am Strand besteht ohne jede Frage in der Kombination von Flip-Flops, Stringtanga und Arschgeweih. Das ist sozusagen die Basis der Geschmacklosigkeit. Bei Bedarf kann das Outfit noch ergänzt werden durch ein Fußfesselkettchen und/oder ein Strasspiercing im Bauchnabel. Wichtig ist nur, dass oberhalb der Geweihlinie keine Accessoires hinzugefügt werden. Tops oder Bikinioberteile sind tabu. Haare auf dem Kopf gehen eben noch so durch, Stroh im Inneren ebenfalls. Einzig geduldete Ausnahme: das Nasenflügelpiercing passend zum Nabel.

Zu mitternächtlicher Stunde wurde unlängst im kleinen Kreis die Vermutung angestellt, die Stringtangas würden auch G-Strings genannt, weil sie beim Tragen den G-Punkt stimulierten. Mein hysterisches Gelächter sorgte dann für allerlei alternative, mehr oder weniger wirre Vermutungen zum Grund für das Tragen der Minimalbekleidung: Keine weißen Stellen nach dem Sonnenbad, keine Randlinien des Slips unter Rock oder Hose sichtbar, "Wir sind Britney!", die unterschwellige Sehnsucht nach der Pornodarstellerin in uns (ich wusste bisher nicht, dass Stringtangas im Englischen thongs heißen), Rückfall in die anale Entwicklungsphase, Sexualisierung der Gesellschaft, maximale Provokation der Elterngeneration unter Einfluss des Ödipus-Komplexes.

Ist natürlich alles Quatsch, wir hatten geringe Mengen Alkohol getrunken an diesem Abend. Aber ich weiß immer noch nicht, weshalb ich mir ein Stoffschnürchen zwischen die Arschbacken klemmen sollte. Was haben wir übersehen?

Warum?

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